Eines der Lieblingsargumente von Leuten, die gerne die Verkehrswende verbieten würden ist ja, dass dann angeblich Handwerker, alte gehschwache Menschen und vor allem Retter und Polizei nicht mehr durchkommen und dann müssen wegen der Verkehrswende Menschen sterben und Räuber kommen ungeschoren davon!
Kurz: Man stellt einfach sehr, sehr viele Strohmänner auf, hinter denen man seine Bequemlichkeit und Angst mal was Neues auszuprobieren, verstecken kann.
Wusstet ihr, dass ein relevanter Teil der durchaus siginifikanten Kosten von Radschnellwegen daher kommt, dass die für bis zu 7,5 Tonnen ausgelegt sind? Also überall? Die Fahrbandecken, aber vor allem auch die dadurch deutlich teureren Dämme und Brücken.
Warum? Natürlich damit Reinigungsfahrzeuge darauf fahren können und damit im Notfall die Retter auf exakt diesen Radschnellwegen schnell durchkommen. Radschnellwege haben den enormen Vorteil, dass keine Monster-SUVs im Weg stehen, deren Besitzer leider einem Krankenwagen nicht ausweichen können, weil dieser Ausweichprozess ihr Ego beschädigen würde. Radfahrer sitzen zudem nicht in einem schallgedämmten Raum mit lauter Mucke und selbst das größte Lastenrad kann so ein mehrfaches so schnell und einfach ausweichen wie eine Gruppe Autofahrer.
Also: Radschnellwege sollen von Rettern nur im Notfall befahren werden, aber sie sind in genau diesem Notfall natürlich eine Option und auch darauf ausgelegt. Nicht zuletzt, weil ja durchaus auf dem Radschnellweg jemand zusammenbrechen könnte. Und die Ersthilfe kann ja auch ein Retter auf dem Fahrrad erledigen.
Aber was ist mit Radwegen in der City? Sind die nicht?
Oh warte, schauen wir doch einfach mal in Städte, die das mit der Verkehrswende schon ausprobiert haben. Kopenhagen, Utrecht, Amsterdam…
In der Radcity Kopenhagen sind gesetzlich im Schnitt unter 9,8 Minuten vorgeschrieben und selbst in dichten Innenstadtvierteln kommen die Krankenwagen zuverlässig in 8-10 Minuten an.
Die niederländischen Radstädte glänzen trotz dichter Bebauung und sehr hohem Radanteil mit Spitzenzeiten von bis zu nur 7 Minuten!
Oder sollte ich sagen WEGEN hohem Radanteil. Denn in den Niederlanden werden die großen Vorteile des Radverkehrs für Retter gezielt genutzt.
Radfahrer und Radfahrerinnen hören besser, reagieren schneller, können leichter ausweichen und Platz machen und vor allem: Brauchen Räder in der Stadt einfach enorm viel weniger Platz, weil sie nicht mit schwer manövrierbaren 10 Quadratmeter Stahl und Plastik Luft durch die Gegend fahren. Das heißt es bleibt MEHR Platz für gute Rettungswege.
https://dutchcycling.nl/knowledge/german/fahrradforderung-und-rettungswege-zusammendenken/
In Hamburg dagegen, einer Stadt, die sich langsam an die Verkehrswende rantastet, liegt die Vorgabe bei 8 Minuten, die Realität liegt aber leider deutlich darüber. Vor allem in Der Rush-Hour gibt es ordentliche Dämpfer. Warum? Weil die Retter bei den ganzen Autos nicht durchkommen.
https://www.abendblatt.de/hamburg/article239879553/Weiterhin-viele-Rettungswagen-nicht-puenktlich-am-Einsatzort.html
Schaut gerne hier mal aus Seite 50: https://reposit.haw-hamburg.de/bitstream/20.500.12738/5972/1/lsab12_91.pdf
Und klar auch in Berlin fahren Retter zu manchen Zeiten eher im Stop-and-Go als in Überschallgeschwindigkeit. Nicht zuletzt übrigens auch wegen Falschparkern. Einer der vielen Gründe warum Falschparken in Deutschland immer noch viel zu günstig ist.
Ich hatte hier im Hamburger Süden neulich einen Fall der fast exemplarisch ist. Ich kann mit dem Fahrrad aus der Tempo 30 Zone vor einer Schule und wollte gerade die große Kreuzung an der Bundesstraße queren, auf der sich wegen Rush-Hour alles begann zu stauen. Ich hörte und sah Polzei und Krankenwagen in der Ferne auf der Gegespur anrasen.
Also hielt ich mit meinem Rad an der grünen Ampel an und bemühte mich den Autofahrern hinter mir ein deutliches Zeichen zu geben nicht auf die Kreuzung zu fahren. Denn die Gegenspur war für die Retter dicht, die mussten direkt vor mir bzw. uns durch.
Was machen die Autofahrer? Natürlich hupen und mit quietschenden Reifen auf die Kreuzung schlingern. Was denn sonst? Verdammter Kampfradler, jetzt will der uns schon verbieten über eine grüne Ampel zu fahren.
Auf der Kreuzung merkten sie dann schnell, dass es nicht mehr so richtig weiterging. Der eine im Golf fuhr bis zur Kreuzung, bemerkte dann Polizei und Krankenwagen und versuchte immerhin hektisch wieder rückwärts zu fahren, war dabei aber so ungeschickt dass er fast in ein andere Auto fuhr und sich beide anhupten. Der andere mit seinem fetten Range-Rover blieb SCHRÄG mitten auf der Kreuzung stehen, und schaffte es so die Retter und Gesetzeshüter auf Schrittgeschwindigkeit runterzubremsen, bevor er sich langsam zur Seite bequemte.
Nur um dann innerhalb von Millisekunden hinter den Rettern einzuscheren und mitzurasen.
Da gingen wertvolle Sekunden verloren, die vielleicht ein Leben gekostet haben. Mit Verkehrswende wäre das nicht passiert.
Übrigens können auch Dänen in Autos Idioten sein. Als wir neulich gen Kopenhagen auf der Autobahn standen, war dort Stau, Rettungsgasse ging auf, Krankenwagen fährt durch und bevor ich oder der LKW vor mir überhaupt wieder einscheren kann, versucht eine Dänen im Kleinwagen mich neben mich zu setzen und einfach mal eine dritte Spur auf der zweispurigen Autobahn aufzumachen. Selten hab ich meine Hupe sinnvoller eingesetzt und sie hat sich sogar noch ernsthaft aufgeregt, dass ich sie blockiert habe – unter anderem um ihr Leben zu schützen, während der LKW gerade zurückscherte.
Merke: Idioten gibt es in jedem Verkehrsmittel, aber sie können auf dem Auto erheblich mehr Schaden verursachen als auf dem Fahrrad und das gilt GERADE auch wenn es um die Lebensrettung geht.
Richtig gemacht sind Fahrradstädte echte Lebensretter auf sehr vielen Ebenen. Weniger Verkehrstote (Helsinki hatte letztes Jahr exakt 0), weniger Luftschadstoffe, mehr Bewegung und gesündere Bewohner und schnellere Lebensretter. Und gerade eine alternde Republik profitiert von all diesen Vorteilen gleich doppelt!
Helsinki und 0 Verkehrstote:
https://www.adfc.de/neuigkeit/helsinki-erreicht-vision-zero
Paris und plötzlich gute Luft und sogar der Focus bringts: https://www.focus.de/earth/saubere-luft-die-folgen-der-radikalen-pariser-verkehrspolitik-mit-karten_a4fe90d1-13bc-4da0-9af7-2b86cab13b8e.html
Fahrrad und Gesundheit (Schlussfolgerunen auf Seite 18)
https://fgoe.org/sites/fgoe.org/files/2017-10/2012-02-23.pdf
Und Fun-Fact (Ich LIEBE solche Zusammenhänge bzw. positive Rückkopplungen): Weil in Fahrradstädte viel weniger Menschen schwer verunglücken oder mit Asthmaanfällen und Herz-Kreislaufproblemen zusammenbrechen, sind die Retter im Ernstfall nochmal schneller, weil sie weniger überlastet sind!
Und alles, was wir dafür tun müssen ist uns von alten Gewohnheiten zu verabschieden. Es ist wie beim Sex: Man kann sich das ganze Leben lang über schlechten Verkehr beschweren – oder man probiert mal was Neues aus und merkt plötzlich: Verdammt, das macht ja Spaß! Und gesund und entspannend ist es auch noch.
Verkehrswende? Endlich guter Verkehr und schnelle Retter.
Euer Captain F wie Fahrradstadt
………….
P.S. Die alte gebrechliche Frau ist in Bus, Bahn und Taxi im Zweifel deutlich besser aufgehoben als in einem Blankeneser Schaufenster weil sie Gas und Bremse verwechselt und gerade die Handwerker kommen in Fahrradstädten mit Ausnahmegenehmigung selbst in beruhigten Ecken sogar besser durch, weil sie eben nicht mehr in der Rush-Hour festhängen und durch die vielen Radfahrer MEHR Platz in der Stadt ist.




