Pop-up Radwege in Berlin müssen weg oder: Dieser Moment, wo man ahnt, dass die Richter im Mercedes zur Urtelsverkündung gefahren sind.

Damit trifft in Berlin dasselbe Problem auf, wie bei dem Versuch in Hamburg-Altona für eine testweise temporäre Verkehrsberuhigung. In beiden Fällen wollte das Gericht eine konkrete „Gefahrenlage“, die hat das Gericht nicht erkannt, also wurde die Stadt verpflichtet die Radwege aufzulösen.

Das ist insofern lustig, da Berlin ja mit der Pandemie eine durchaus nachvollziehbare Begründung geliefert hat. Da in dieser der ÖPNV weniger leistungsfähig ist (Abstandsregeln) muss den Berlinern, die kein Auto haben, ein möglichst sicherer Weg zur Arbeit und Einkaufen etc. gewährleistet werden. Viele Radwege sind aber überlastet, in traurigem Zustand und sehr unsicher – daher ist eine bessere Sichtbarkeit auf der Straße ein guter Ansatz.

Das ist dem Gericht aber nicht „konkret“ genug und angeblich „verkehrsfremd“. Was so ein wenig die Frage aufwirft, was dem Gericht denn konkret genug wäre, so in Sachen Gefahrenlage? Braucht es vielleicht den „Schlächter von Kreuzberg“, der nachts mit seinem SUV reihenweise Radfahrer jagt und überfährt? Oder müssen tausende Radfahrer täglich wie bei der Tour de France eine blutige Massenkarambolage auf den unzureichenden Radwegen zelebrieren?

So oder so, sollte man daran erinnern, dass Gerichte regelmäßig einen Ermessensspielraum haben. Wenn dieser aber regelmäßig dafür genutzt wird den Gestaltungsspielraum von Kommunen so zu beschneiden, dass diese letztlich überhaupt nicht mehr auf aktuelle Gegebenheiten reagieren können und damit nicht mehr handlungsfähig sind – dann ist das ein Sieg für AfD und co. (die hatten geklagt) aber keiner für Demokratie und Gewaltenteilung.

Abgesehen davon gehört dringend dieser absolut idiotische Passung gestrichen, dass eine „konkrete Gefahrenlage“ nötig ist, um irgendwas zeitnah ändern oder probieren zu können.

Denn Fakt ist: VERKEHR FOLGT DEN WEGEN und nicht anders herum.
Wenn du Straßen baust bekommst du Autoverkehr.
Wenn du Radwege baust bekommst du Radverkehr.

Das heißt: Wenn es nicht genug sichere Radwege gibt, dann werden die auch nicht überfüllt sein, weil die meisten sich nicht aufs Rad trauen und dann erkennt das Gericht keine Gefahrenlage und dann kann man jeglichen Feldversuch und Pop-up Radweg vergessen. Dabei sind Feldversuche und Pop-up Radwege ein wirklich wichtiges Mittel um die Verkehrswende ENDLICH zu beschleunigen.

In dem Sinne: Ich hoffe die Richter saßen gut in ihrer Mercedes-Limousine und ich hoffe zur nächsten Urteilsverkündung werden sie mal verpflichte einen Tag mit dem Rad durch Berlin oder Hamburg zu fahren.
Und dann würde ich die Richter gerne noch mal sagen hören: „Dass es keine konkrete Gefahrenlage gibt“
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P.S. Auch bei der Demo in Berlin jüngst haben die Richter keine „konkrete Gefahrenlage“ erkannt und das Demoverbot gekippt. Mit den bekannten Ergebnissen. Wird man als Richter neuerdings nur noch mit rosaroter Brille auf die Straße gelassen?

Mehr dazu:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/verwaltungsgericht-entscheidet-pop-up-radwege-in-berlin-sind-rechtswidrig/26164102.html
https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.987343.php