Ich war ja in Tschechien im Urlaub. Und der Plan war eigentlich eher so: Wandern, Radfahren, lecker Essen und dann- und wann ein schönes Bierchen.

Das Ergebnis war: Tote Fichten.

Ich schwör, ich hab noch nie so viele Fotos von toten Fichten gemacht. Und Alleebäumen. Tote oder sterbende Alleebäumen. In Tschechien, aber auch in Sachsen und Sachsen-Anhalt auf dem Weg nach Tschechien.
Der tschechische Nationalpark gegenüber vom Bayerischen Wald hat die toten Fichten sogar im Nationalparklogo. Kein Scherz.

Es war gleichzeitig faszinierend und bedrückend so viel Tod zu sehen. Und auch neues Leben z.B. auf der deutschen Seite im Bayerischen Wald, wo man versucht den Wald zu einem Mischwald umzubauen.
Vor allem wenn man weiß, dass man gerade Zukunft schaut. Denn lange haben Förster und co. gehofft, dass Klimawandel, sowie sommerliche Hitze und Dürre, nur die Fichten in Mitleidenschaft zieht. Leider musste man inzwischen erkennen: Es macht insbesondere Fichten zu schaffen, aber leider auch Eichen, Birken, Buchen und sogar der Kiefer.

Für Euch noch ein wenig Hintergrund:
– Fichten sind eigentlich Hochgebirgsbäume, die perfekt mit Kälte und Eis klar kommen aber sehr schlecht mit Hitze
– Deutschland war zu Hochzeiten der heimischen Eisenerzgewinnung etc. quasi entwaldet. Danach hat man mit der schnellwachsenden Fichte großräumig aufgeforstet
– Harz, Schwarzwald, Bayerischer Wald und co. wären natürlicherweise fast komplett Buchenwälder (die besser mit Hitze klarkommen)
– Borkenkäferplagen sind etwas, das man schon aus dem späten Mittelalter kennt

Aber auch in diesem Wissen merkt man: Das Sterben heute hat eine andere, endgültigere Qualität.

Was man in Tschechien sehr schön sehen kann: Die alten Strategien helfen nicht. Die mühsam vor den Borkenkäfern geretteten Fichten sterben jetzt eben an der Hitze und der Trockenheit.

Die alte Strategie ist: Von Borkenkäfern befallene Bäume sofort komplett entfernen oder zumindest entrinden, damit sich der Borkenkäfer nicht weiter verbreitet. Oder Pestizide.

Folge: Schwere Erntemaschinen schädigen den Boden für 50 Jahre und mehr und Sonnenlicht und Hitze kommen ungeschützt auf den Boden. Die Verdunstung nimmt zu und die Dürre wird verstärkt. Oder Pestizide schädigen das Waldökosystem auf Jahre.

Tote Fichten dagegen als Alternativlösung einfach stehen zu lassen, hält zwar die Verbreitung des Borkenkäfers nicht auf – die toten Gerippe bieten neu gesetzten Laub- und Nadelbäumen aber Schutz beim Aufwachsen und halten auch Rehe fern.

Und damit kommen wir zum nächsten Problem: Wir haben in Deutschland einen sehr hohen Wildbesatz, der alles verbeißt und das natürliche Aufwachsen neuer (Misch-)Wälder verhindert. Zudem wächst in Fichtenwald nur wieder Fichtenwald – weil Fichten unglaublich vermehrungsstark sind.

Also wie kommt man von totem Fichtenwald zu gesundem Mischwald und warum eigentlich Mischwald?
Nun: Da wir nicht genau genug wissen, was die Klimazukunft bringt, ist Mischwald die beste Option. Man hat sozusagen mehrere Eisen im Feuer und hofft, dass wenigsten 2-3 davon mit den neuem Klima in 30-50 Jahren klar kommen.
Gesunder Mischwald besteht aus grob drei Schichten: Große Altbäume, mittelgroße Bäume darunter und Bodendecker, kleine Jungbäume, etc. darunter. Er hält damit die Sonne besser fern, die Verdunstung gering und das Wasser im Wald.

Aber da waren ja noch die Rehe die alles kaputtfressen? Exakt. Wer also nicht Milliarden in sinnlosen Pflanzungen versenken will muss in Schritt 1. zusammen mit den Jagdpächtern die Rehdichte auf ein erträgliches Maß bringen.
Dann in Schritt 2. eine Startpflanzung machen. Und dann vor allem mal nix. Tote Fichten sind derzeit am Holzmarkt fast komplett wertlos, es ist also auch finanziell sinnvoll JETZT den Wald umzubauen. Verkaufen kannste gerade eh nix. Und der Wald weiß wie er wächst und der beste Waldbodeschutz ist ihn NICHT zu zerfahren.

Nur wie kriegt man das einer Forstindustrie erklärt, die fast jahrhundertelang einseitig auf Fichtenforste gesetzt hat, die mit einem natürlichen Wald soviel zu tun haben wie ein Maisfeld mit einer blühenden Wiese? Und wie erklärt man Jägern, dass sie in 10-20 Jahren wenn der Mischwald langsam aufgewachsen ist, wieder mehr Rehe (irgendwann sogar mehr als vorher) im Wald belassen können, aber gerade eben nicht?

Immerhin scheint Deutschland etwas weiter zu sein als Tschechien aber man muss anmerken: Für sein im nachhinein kluges Vorgehen, die borkenkäferkranken Fichten einfach stehen zu lassen und den Wald vorsichtig umzubauen, musste der Nationalparkchef vom Bayerischen Wald einen Shitstorm erster Güte ertragen. Heute sind die Stimmen verstummt, denn während im Bayerischen Wald die Zukunft gar nicht mehr so klein ist, ist das große Sterben jetzt von Harz bis Thüringen überall angekommen.

Wir haben Geld in Deutschland. Das Immerhin. Also wäre es jetzt an der Zeit dieses Geld in die Hand zu nehmen, Förster, Waldbesitzer und Jäger zusammenzubringen und einen neuen durchmischten Wald zu starten. Und dann EINFACH MAL DIE NATUR MACHEN LASSEN. Und Boden, Bäume, Ökosysteme Lösungen finden lassen. Das haben die vor uns auch ganz gut alleine hinbekommen. Nicht die Natur ist das Problem, sondern wir.

Das alles wäre aber komplett sinnlos, wenn wir weiter wie bisher ungebremst CO2-ausstoßen. Denn derzeit sind wir im Worst-Case-Szenario und bei bis zu 5,4 Grad Erwärmung bis 2120 wird auch all der Waldumbau nix bringen. Bei so einer Erwärmung steht hier nichts mehr. Vor allem keine Bäume.

Daher: Willst du, dass deine Kinder oder Enkel einmal dieses unfassbar erhebende und beruhigend Gefühl erleben dürfen durch einen dieser wunderschönen, ausgedehnten Buchenwälder zu wandern, in denen man sich fühlt wie in einer gigantischen, grünen Säulenhalle der Natur – während all die Geräusche der Zivilisation endlich gedämpft sind und die Sonnenflecken in diesem sanften Lichtgrün auf dem Boden tanzen – dann setz dich für Klimaschutz ein.
Denn Klimaschutz ist Waldschutz. Und ganz ehrlich: Ich weiß nicht wie es dir geht – aber ich weiß nicht ob ich damit klarkäme in einer Welt ohne die Wälder meiner Kindheit zu leben.

Dein Captain Futura

Was sagt eigentlich ein Klimaforscher zum Waldsterben? (ein guter Freund von mir, wir waren zusammen in Tschechien 😉 )
https://www.klimatopist.de/waldsterben/

Was sagt eigentlich ein Förster zum Waldsterben?
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/fragen-an-forstwissenschaftler-wie-sieht-der-wald-der-zukunft-aus-16914784.html

Zur Rolle der Jagd:
https://www.deutschlandfunk.de/rolle-der-jagd-wie-deutschlands-waeldern-zu-helfen-waere.724.de.html?dram:article_id=479920