Es gibt ja nichts zuverlässigeres als den landesweiten Aufschrei wenn die Benzinpreise steigen. Und dann noch auf ein Rekordhoch!!1!

Da ja gerade wieder halb Deutschland davon ausgeht an der Tankstelle quasi enteignet zu werden hab ich das mal durchgerechnet.

Golf 1 – 1975 – 70 PS – 10 Liter Verbrauch (Benzin) – 200 Tage im Jahr zur Arbeit die 50 km entfernt ist. Was hätten die insgesamt 100 km pro Tag zu HEUTIGEN Preisen gekostet.

10 Liter x 200 Tage x 0,46 cent pro Liter x Inflationsrate bis heute = 2.550 €

Im Vergleich dazu ein moderner Golf 8 mit 90 PS und einem Verbrauch von 4,5 Liter:

4,5 Liter x 200 Tage x 1,7 € = 1530 €

Anders gesagt: Tanken ist UNBEZAHLBAR. Also jedenfalls 1975.

Denn wer 2021 tanken muss, spart gegenüber 1975 MEHR ALS 1.000 €!

Und dazu gibt es 2021 eine abziehbare Pendlerpauschale von 3300 €
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Wichtig dabei: 1975 war kein besonders teures Benzinjahr, die erste Ölkrise war weitgehend verdaut, die nächste kam erst noch. Der Golf 8 von heute ist DEUTLICH größer, hat 20 % mehr PS und eine deutliche höhere Höchstgeschwindigkeit. Also eigentlich alles besser in 2021.
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Nicht berücksichtigt sind bei alldem die „externen Kosten“. Also die Kosten für Umwelt und Gesundheit.

Denn 1975 kamen die Ölkrisen. Aber 2021 ist die Klimakrise. Und die ist längst da. Und kostet uns bereits heute Milliarden an Folgeschäden. Nicht zu vergessen die Gesundheitskosten durch Feinstaub, Stickoxide und so. Und rechnet man das zusammen kommt man auf zusätzliche Kosten von 90 cent pro Liter Benzin bis zu 2 € und mehr.

https://www.wiwo.de/technologie/green/echte-preise-was-ein-liter-sprit-wirklich-kostet/13551366.html

Und das hab ich mal als Erinnerung grüngrau dahinter gesetzt.
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Und jetzt die entscheidende Frage: JA ABER WARUM BESCHWEREN SICH DANN TROTZDEM SO VIELE?

Ja nun.

Erstens weil Menschen offensichtlich die Inflation nie einkalkulieren. Siehe: „1 TEURO!? Früher hat die Kugel Eis 10 Pfennig gekostet! WUCHER!“

Zweitens weil ein Auto mit 75 PS und 160 Spitze zwar 1975 voll okay war aber 2021 im Grunde nicht mehr fahrbar ist.

2021 ist ein Golf mit 90 PS im Grunde schon ein Loserautor. Ich mein ernsthaft wer fährt denn sowas? Unter 3 Tonnen SUV mit 250 PS trau ich mich ja nicht aus der Garage! Was sollen denn sonst meine Nachbarn denken!!?

Kurz: Wir verhalten uns als gäbs keine Klimakrise und fahren immer größere Autos, die am Ende im Flottendurchschnitt sogar mehr verbrauchen als noch vor 5 Jahren, um dann an der Tankstelle das Nervenflattern zu kriegen.
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Kurz: Es ist wünschenswert und für die meisten bezahlbar, dass der Benzinpreis steigt. Und für die, die tatsächlich Probleme haben es zu bezahlen brauchen wir faire und deutlich höhere Mindestlöhne, einen besseren Sozialausgleich und ein Ende von Hartz IV.

Denn das eigentlich Problem ist NICHT der Benzinpreis sondern die seit 1975 extrem weit aufgegangene soziale Schere.*

ACHTUNG Profitipp: Ich weiß es ist verrückt aber es lassen sich erstaunlich viele Strecken fast umsonst mit Biofahrrad (das wo man so tritt) oder Pedelec zurücklegen. Und dann gäbs da auch noch ÖPNV und E-Auto. All das kommt in der Gesamtrechnung häufig günstiger und beim Fahrrad VIEL günstiger und die Umwelt, deine Lunge und die Fitness dankt 🙂

Soweit: Wenn ihr jetzt noch Fragen habt findet ihr die FSB (Frequently Said Bullshit) ganz am Ende dieses Artikels 😉

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Eine Kleinigkeit in eigener Sache: Diese hübschen bunten Grafiken für Euch zu erstellen, die Texte zu schreiben und all die Trolle wegzulöschen: Das ist tierische Arbeit. Ich möchte das aber gerne weiter machen, weil ich es wichtig finde. Und ich hasse selber Werbung und will keine schalten weil ich sinnvolle Meinungen verbreiten will und keine gekauften. Daher brauche ich Euch. Wer mich unterstützen mag:

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Euer Captain Futura / Jörn

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Trau niemandem ohne seriöse Quellen:

https://www.captain-futura.de/2020/09/09/klimaschutz-und-verkehr/

https://paperity.org/p/59074595/the-social-cost-of-atmospheric-release

https://www.rnd.de/wirtschaft/strom-und-olpreise-wir-lassen-uns-von-der-umwelt-subventionieren-RN76KEHPSNAE5CPRRHJHBXPEZA.html

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/776/umfrage/durchschnittspreis-fuer-superbenzin-seit-dem-jahr-1972/

https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/50-Volkswagen/452-Golf.html?fueltype=2&vehicletype=1&constyear_s=1870&constyear_e=1977&power_s=55&power_e=200&powerunit=2

https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Golf_I

https://de.wikipedia.org/wiki/VW_Golf_VIII

https://www.finanzen-rechner.net/inflationsrechner.php

*Aber würde man die in Frage stellen müsste man unser zunehmen neoliberales Wirtschaftssystem in Frage stellen. Aber das will ja nun wirklich keiner…

FSB (Frequently said Bullshit)

– aber ich bin den Golf 1 damals mit 7, ach 6, ach 5 ach meine Oma ist den mit 4 Litern gefahren!

Sicher, dass du nicht den Diesel meinst? Der Golf 1 wird heute noch von Liebhabern und Oldtimerfreunden gefahren, daher gibt es auch reale Verbräuche auf Spritmonitor und diese bestätigen ziemlich genau die Werksangaben von 10 Litern. Was belegt, dass damals die Werksangaben nahe an der Realität waren. Noch dazu ist davon auszugehen, dass diese Liebhaber ihr wertvolles Stück eher nicht durch benzinfressendes Stop and Go des täglichen Berufsverkehrs fahren, dass sie nicht mit 150 über die Autobahn heizen und dass der Motor sehr gut gewartet und eingestellt ist, sonst wäre das Auto niemals so lange gefahren. Und selbst diese Profis schaffen im Schnitt nur 10 Liter und nur vereinzelt mal um die 8,5 Liter. Daher nein, du bist den Golf 1 (und sehr wahrscheinlich ein späteres schon sparsameres Modell) vielleicht damals auf deinem gemütlichen Ausflug über Land EINMAL mit viel Spucke mit 7,5 Liter gefahren und hast das voll gefeiert. Aber im täglichen Berufsverkehr niemals. Denn bist eilig schluckt der Golf 1 sehr schnell sehr viel mehr.

https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/50-Volkswagen/452-Golf.html?fueltype=2&vehicletype=1&constyear_s=1870&constyear_e=1977&power_s=55&power_e=200&powerunit=2

– aber der Golf 8 kommt doch NIEMALS mit 4,5 Liter aus, der braucht doch 6-7 wie alle Autos heute und noch dazu fährt den mit nur 90 PS doch niemand.

Das das Modell kaum jemand fährt stimmt leider. Und das ist genau Teil des Problems, wenn 200 km/h Spitze einfach nicht ausreichend sind. Aber was es den Verbrauch angeht zeigen Realwerte von Spritmonitor: Doch, der ist ziemlich nah an 4,5 Liter zu fahren. Der neue Testzyklus nach all den Skandalen der letzten Jahre ist für Kleinwagen tatsächlich ziemlch okay. Weniger okay ist er für große und schwere SUVs (so ein Zufall) – die verbrauchen auch heute noch deutlich mehr als in den Testwerten der Anzeige. (kleiner Reminder: Die deutsche Autoindustrie verdient ihr Hauptgeld mit großen und schweren SUVs und nicht mit Kleinwagen) Also: Beim Golf 8 weicht der tatsächliche Verbrauch im täglichen Stop- and Go nur nach oben ab, aber nicht soweit wie viele denken. Es gibt Beispiele von Spritmonitor mit 4,8 Liter Verbrauch und wenn man auch die größeren Motoren bis zu 150 PS reinnimmt, um eine größere Versuchsgruppe zu haben kommt man trotzdem nur auf 6,3 Liter im Schnitt. Und das ist insgesamt immer noch DEUTLICH weniger und günstiger als 1975 mit dem Golf 1. Und man schafft endlich die 240 km/h auf der Autobahn! Kleiner Tipp: Wer meint mehr als 180 km/h auf der Autobahn fahren zu müssen, hat jegliches Recht verwirkt sich über hohe Verbräuche oder den Benzinpreis zu beschweren. Einfach mal Physik und Luftwiderstand nachschlagen, danke, bitte.

https://www.spritmonitor.de/de/detailansicht/1239398.html

https://www.spritmonitor.de/de/uebersicht/50-Volkswagen/452-Golf.html?fueltype=2&vehicletype=1&constyear_s=2019&constyear_e=2021&power_s=75&power_e=150&powerunit=2

und wer noch Inspirationen für sparsame Autos braucht:
https://www.spritmonitor.de/de/die_sparsamsten_autos.html
https://www.adac.de/rund-ums-fahrzeug/auto-kaufen-verkaufen/autokosten/geringster-verbrauch-benziner/

Ihr wundert euch warum Autos heute soviel verbrauchen? Na, hier:
https://www.captain-futura.de/2020/09/09/klimaschutz-und-verkehr/

– aber in den 70ern war auch kein Verkehr, deswegen hat man damals viel weniger verbraucht, aber heute steht man den kompletten Weg im Stau!

Ach. Okay. Du stehst also 50 km täglich im Berufsverkehr im städtischen Stau oder Stop- and Go? Ähm, bist du sicher dass du nicht einfach um Berlin im Kreis fährst? Es geht um Pendelstrecken von 50 km für eine Fahrt, da ist zwingend ein großer Teil über Land und sicher nicht im Stau. Und in den 70ern gab es vielleicht nur 18 Mio PKW, statt wie heute 48,2 Millionen ABER das Straßennetz war viel weniger ausgebaut. Es gab z.B. statt wie heute 13.000 Kilometer Autobahn nur etwas über 4.000 Kilometer Autobahn. Genau. Das ist ein Drittel. Krass, oder? Hat der Föhrer die doch gar nicht alle gebaut. Wieder was gelernt. Und weil es all die schönen Umgehungsstraßen und 6spurigen Autobahnen noch nicht gab gab es durchaus Staus. Und Berufsverkehr. Aber ist seitdem ja viel besser geworden, dadurch dass wir so viele Straßen gebaut haben. Oh, etwa nicht? Könnte es sein, dass mehr Straßen zu mehr Autos führen? Und deshalb die Stauquote immer ziemlich ähnlich bleibt? NEIN! In Deutschland niemals! Wer bist du, du Linksideologo, du Ökofanstast, den deutschen Autobahnwahnsinn in Frage zu stellen! Das ist das letzte was bei uns noch heilig ist!

https://www.captain-futura.de/tag/bahn/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/162356/umfrage/autobahnnetz-in-deutschland-seit-1950/
https://de.wikipedia.org/wiki/Wirtschaftszahlen_zum_Automobil/Deutschland

– aber den Golf 1 konnte sich damals ja jeder leisten, den Golf 8 kann dagegen heute niemand mehr bezahlen. Alles ist schlechter heute!!

Okay? 1975 18 Mio PKW. – heute dagegen 48,2 Mio PKW. Wir sind wirklich viel ärmer geworden. Sieht man auch an den Flugreisen. Den gigantischen Flatscreens. Materiell geht es den meisten Menschen heute viel, viel besser als in den 70ern. In denen es übrigens auch schreckliche Armut gab. Wir sind also reicher heute aber leider nicht glücklicher. Und zerstören unsere Zukunft. Aber materiell ist es für die Meisten das Schlaraffenland. Und weder war der Golf 1 damals ein Auto für Geringverdiener, noch ist es der Golf 8. Und ja, es gibt einen signifikanten Teil der Gesellschaft, der sich mit mehrern Jobs durchs Leben schlagen muss und ganz ehrlich die Scheiße gehört abgeschafft. Wir brauchen endlich faire Löhne und einen besseren sozialen Ausgleich. Erbschaftssteuer, gleiche Chancen. Aber dann sollten wir auch darüber reden und nicht über Spritpreise. Und noch eine kleine Rechnung: Der Golf 1 hat damals um die 9.000 DM gekostet (https://www.focus.de/auto/gebrauchtwagen/youngtimer/der-erste-vw-golf-war-nackt-aber-guenstig-golf-1-im-detail_id_2536332.html) das sind 4.500 €. Das sind mit historischer Inflation 12.470,67 Euro. Was gar nicht mehr sooo günstig ist. Für ein kleines Auto mit hohem Verbrauch. Mit 75 PS.  Mit vorsinflutlicher Sicherheit. Ohne Airbags, ABS, ordentliche Sitze. Ein Motor der ab 110 km/h jede normale Unterhaltung unmöglich macht. Als Oldtimer super, neu würde das KEIN MENSCH für den Preis kaufen.

– ABER du greifst arme Menschen und Geringverdiener an!

Nein, ich setze mich für sie ein. Denn es sei nochmal gesagt: Das Problem sind NICHT die hohen Benzin- oder Dieselpreise. Denn die waren die letzten Jahre inflationsbereinigt HISTORISCH niedrig. Das Problem ist die soziale Spaltung und die schlechte Entlohnung vieler Jobs.

Job des Staates ist daher für mehr sozialen Ausgleich, höhere Löhne und besseren ÖPNV zu sorgen und NICHT für billige Dieselpreise. Denn die verstärken die Klimakrise, die wiederum vor allem die Armen trifft!
Das wäre als würde man – genau: Benzin ins Feuer kippen.