„Überbevölkerung“?! Mal ein Aufschlag von mir zu einem umkämpften Thema und den typischen Argumenten.
„Überbevölkerung gibt es gar nicht, es gibt nur ein Problem mit unserem Lebensmodell!“

–> Unser Lebensmodell hat mit moderner Landwirtschaft, all den Erkenntnissen der Wissenschaft, Maschinen, Kunstdünger und co. überhaupt erst möglich gemacht auf der Erde so enorm viele Menschen zu ernähren. Unser Lebensmodell ist also in diesem Argument Ursache, Lösung und Problem in einem. Aus diesem Zirkelschluss ergibt sich: Das Argument funktioniert so nicht.
„Wir müssen uns nicht einschränken, die Afrikaner sind das Problem, die sorgen für Überbevölkerung und das erzeugt all die Probleme!“

–> Ein Satz mit „Die Afrikaner“ wird selten gut. Das gilt auch hier. Wenn man Klimawandel, Landnutzung, Waldzerstörung und ziemlich jedes Problem betrachtet sind zu 90 % WIR die Ursache. Wobei ich mit WIR die Industrieländer meine – und zwar INKLUSIVE China. Wir haben z.B. locker den 40fachen CO2-Ausstoß an CO2 pro Kopf gegenüber Äthiopien, wir belegen außerhalb unserer Länder nochmal fast 2/3 so viel landwirtschaftliche Fläche wie im Land für unsere Nahrungsmittel. Land, das dann für die Ernährung in den Entwicklungsländern fehlt und das durch den Klimawandel zusätzlich austrocknet. Da mit dem Finger auf andere und angebliche „Überbevölkerung“ zu zeigen, ist schon extrem dreist.
„Überbevölkerung ist gar kein Problem, die Welt könnte noch viel mehr Menschen ernähren!“

–> Könnte sie? Ich würde sagen, sie ernährt die die gerade auf ihr leben schon nur unter erheblichen Schmerzen. Es ist klar: Weniger Fleisch, weniger Verschwendung, bessere Anbaumethoden – es gibt Lösungen. Aber gerade wird die Welternährung von zwei Seiten in die Zange genommen. Auf der einen Seite Klimakatastrophe, auf der anderen sprunghaft wachsende Bevölkerung gerade in vulnerablen Regionen und weltweit wachsender Fleischhunger.
„Ja gut, aber Überbevölkerung DARF kein Problem sein, das ist sonst ein rechtes Narrativ!“

–> Problemen ist im Regelfall egal, wer sie instrumentalisiert. Auch wenn es die Falschen tun, heißt das nicht, dass das Problem nicht existiert. Ich würde aber sagen Überbevölkerung ist tatsächlich kein Problem. Es ist ein Metaproblem. Genau wie der Klimawandel erhöht eine hohe Bevölkerungsdichte den Druck auf fast alle Sektoren des Lebens. Ernährung, Verkehr, Migration, Wohnen, Mieten, Sicherheit – alles passiert unter wachsendem Druck einer immer größeren Weltbevölkerung. Und auch wenn wir bei Wohnen und co. Lösungen finden können – man kann ein Sektor nicht mit einem anderen ausgleichen. Es bringt nichts einem Verhungernden eine Wohnung zu bauen. Der braucht akut erstmal was zu essen. Es reicht also völlig wenn das Metaproblem hohe Bevölkerungsdichte einen Sektor überfordert, um einen teilweisen Zusammenbruch herbeizuführen. Es gibt also keine „Überbevölkerung“ an sich, weil man den exakten Punkt einer „Überbevölkerung“ nicht definieren kann. Was genau „Über“bevölkerung ist hängt vor allem von unserem Verhalten ab. Würde die ganze Welt aus Deutschen bestehen, wären wahrscheinlich zwei Milliarden schon kurz vor der Überbevölkerung. Aber hohe Bevölkerungsdichte erhöht den Druck auf ziemlich alles.

„Ja gut, aber es ist ja nicht an uns zu entscheiden, wer wie viele Kinder…“

–> Nein. Ist es nicht. Und genau deshalb wäre es dringend geboten, dass der Westen da aufhört für unnötig hohe Geburtenraten zu sorgen. Eine Katholische Kirche, die gegen Verhütung kämpft, Evangelikale die weltweit für Enthaltsamkeit und ähnlichen Bullshit missionieren – das alles gehört SOFORT gestoppt. Und ich sags jetzt mal ganz hart: Es ist komplett FALSCH verstandener Antirassismus, große Teile der Welt total verständnisvoll ins Desaster laufen zu lassen. Es gibt mehr als genug Beispiele von Ländern in Afrika, die eine Chance haben auf die Beine zu kommen, die aber so sehr vom Bevölkerungswachstum erdrückt werden, dass die nächste Krise (nicht selten entlang ethnischer Bruchlinien) nicht weit ist. Wir sollten überall, wo wir können, ANGEBOTE machen. Für Verhütung, für Aufklärung, für Zurückdrängung kaputter religiöser Gruppen und vor allem FÜR Unterstützung und Bildung der Frauen. Denn Frauen sind gerade in diesem Feld deutlich klüger (und betroffener) als Männer. Frauen, die Bildung, wirtschaftliche Chancen und Verhütung an der Hand haben lassen sich nicht mehr in das Kinderkriegen drängen. Und das ist gut so. Daher sind Frauen auch hier der Schlüssel für erfolgreiche Entwicklung.
Denn nochmal: Mit sinkender Geburtenrate verschwinden die Probleme NICHT wie von Zauberhand. ABER sie werden kontrollierbarer. Ansonsten fährt sich die Welt wie ein Auto mit immer mehr PS und zu wenig Bodenhaftung, es reißt permanent aus und ist kaum mehr zu kontrollieren.

Wer also will, dass Länder im Sumpf der Entwicklung stecken bleiben, setzt sich für dauerhaft hohe Geburtenraten ein, wer Menschen eine Chance geben will, für das Gegenteil.

Kleiner ketzerischer Exkurs: Wie hat es China geschafft so unfassbar viele Menschen recht stabil aus der Armut zu holen während Indien immer noch extrem vulnerabel erscheint?

Ich glaube man hängt sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man auf die Geburtenrate hinweist, die in China deutlich schneller gebremst wurde.

Dabei hat China zu drakonischen Maßnahmen gegriffen, (Siehe Ein-Kind-Politik) die man nicht unbedingt nachahmen muss, aber es geht ja auch eleganter.

Das bringt uns zur Frage: Warum bekommen Menschen überhaupt so viele Kinder? Wer einmal eine Geburt erlebt hat und sich um einen Säugling kümmern musste, weiß: Das ist nicht Vergnügungssteuerpflichtig. Das tut man sich mehr als ein- oder zweimal nur an, wenn man es RICHTIG feiert oder tun muss.

Menschen bekommen im Regelfall so viele Kinder als Absicherung, als Arbeitskräfte, als Altersvorsorge (und weil es kulturell so als Lösung vorgegeben ist) und dagegen hilft vor allem ein Generationenvertrag. Wenn der Staat dir glaubwürdig zusichert, dass du im Alter keine Armut leiden musst, dann lässt der Wunsch nach dem dritten oder vierten Durchlauf mit Schmerzen und zu wenig Schlaf spontan deutlich nach. Auch allgemein ein stabiles Umfeld, gesicherter Zugang zu Verhütungsmitteln, Bildung und das sichere Wissen, das so gut wie alle Kinder überleben, lassen die Geburtenrate sinken.

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Übrigens sorgt dann irgendwann eine stark gesunkene Geburtenrate für Probleme in der anderen Richtung. Das erleben wir in Deutschland gerade. Denn irgendwann sind dann nicht mehr genug Kinder da, um den Generationenvertrag zu erfüllen und für die Alten zu arbeiten.

Das wiederum halt ich für ein lösbares Problem. Unsere Produktivität ist in den letzten Jahrzehnten so krass gestiegen und wird weiter so steigen, dass das eigentlich überhaupt kein Problem sein sollte. Es wird nur zum Problem, weil Einzelne den größten Teil des Produktivitätszuwachses monopolisieren und so superreich werden, während für den Rest immer weniger bleibt. Und weil wir auf diesem absurden Wachstumsgedanken hängen geblieben sind. Denn eigentlich ist es für die Welt (und damit auch uns) sehr gut wenn wir weniger werden.* Denn ein Mangel an Menschen herrscht auf diesem Planeten sicher nicht.

Soweit meine Argumente zu dem Thema. Ich bin gespannt, was ihr dazu sagt, hier gibts sicher Menschen mit deutlich mehr Hintergrundwissen zu dem Thema. Ich hab nur versucht aus meiner Sicht mal die Argumente aufzudröseln.
Euer CF

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* Die alternative Lösung, um diese Maschine auf Überlast zu halten ist Mindestzuwanderung. Da wird ja immer gerne die Zahl von 400-500.000 Menschen pro Jahr in den Raum gestellt. Ich finde es grundsätzlich erstrebenswert möglichst vielen Menschen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen, aber ich finde diesen Ansatz, Zuwanderung zum wirtschaftlich alternativlosen Zwang zu erklären, für einen problematischen. Auch weil der Humansmus und der Ort der Geburt als Zufallsereignis dabei diskursiv auf der Strecke bleiben. Aber das diskutieren wir ein andermal 😉