Mal kurz zur Alzheimer-Diskussion der Woche: Coronaausbreitung wegen schlechter Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen.

Dazu die Lösung von Vegetarierbund und der Taz: Esst weniger Fleisch! (oder am besten keins)

Und ich find das ja grundsätzlich sympathisch. Allerdings hatten wir nicht vor circa 30 Tagen die Diskussion um Spargelstecher und deren schlechten Arbeitsbedingungen? Und war da dann auch die Lösung: Esst weniger Spargel! (oder am besten keinen)?

Für mich bleibt bei diesen Diskussionen meist das Gefühl zurück: Jeder hat seinen Punkt gemacht. Sache erledigt.

Nur geändert hat sich natürlich nix. Und ist das dann die Lösung: Alles boykottieren, was irgend jemand pervertiert? Bis man dann halt irgendwann nix mehr kann? Wenn ich mal so alle Dinge im Kopf aufzähle, bei denen ich boykottieren sollte oder beim Kauf drauf achten: Ich wäre stundenlang beschäftigt und mein Einkaufskorb wäre immer noch leer.

Denn falls es mal eine Lösung gibt ist die Lösung im Regelfall ein neues Label. Weil Label sind immer toll. Vor allem wenn sie möglichst schlaff sind. Kannste aufs Produkt drucken, haste Werbeeffekt, alle sind beruhigt, tadaa. Sind wir eigentlich schon dreistellig bei den Labeln? Ich frag nur mal.

Denn das ist ja der schicke Dreh: Etwas was eigentlich in den staatlichen Einflussbereich fällt wird mal so flugs zum Verbraucher rübergeflankt. Du, Verbraucher, sei mal grün und mach das Ding rein, ja?! Danke, toll, super, du! Die Ministerin dankt!

Der Verbraucher hat aber vielleicht gar nicht das Wissen. Die Intelligenz. Den Bock. Oder schlicht das Geld. Weil Hartz IV. Der würde vielleicht gern, aber scheitert am Bio-Freiland-ohne-Gentechnik-aber-wirklich-genug-Auslauf-was-ist-eigentlich-mit-den-Männchen-lässt-man-die-auch-leben-?-Ei.

Denn viel aufschlussreicher war eigentlich eine Randnotiz, ich meine im Spiegel wars: „Die Behörden wurden angewiesen, bei den Arbeitsschutzbedingungen in den Schlachthäusern wirklich genau hinzuschauen“. Ein kleiner Nebensatz, leicht zu überlesen.

Aber wenn man ihn bemerkt, fragt man sich plötzlich: Was haben die denn vorher gemacht? Nicht so genau hingeschaut? Vielleicht sogar gar nicht hingeschaut? Und das als Wirtschaftsförderung verkauft? So wie eine schwarzgelbe Landesregierung in Niedersachen mal 100 Wirtschaftsprüfer „reduziert“ hat, um die Wirtschaft zu fördern? Also anders gesagt: 100 Kontrolleure eingespart hat, um den Firmen zu ermöglichen, sich ungestraft illegal zu verhalten, damit die nicht abwandern?

Und dann fragt man sich plötzlich: Könnte es sein, dass der Staat im Namen der freien Marktwirtschaft sich einfach so weit zurückgezogen hat, dass da so ein bisschen Wildwest ist?* Und dann hat man ein schlechtes Gewissen bekommen und um das zu beruhigen: Label drauf, der Verbraucher machts!

Denn in der freien Marktwirtschaft ist Mensch und Tier schlicht ne Zahl. In den Schlachthäusern ist Tier eine positive Zahl und Mensch eine negative. Also Tiere möglichst hoch und Mensch möglichst weit runter. Das führt in beiden Fällen zum Zusammenpferchen und Ausbeuten. Und endet in einem Fall sicher und im anderen ab- und an tödlich. Denn Seele hat halt leider keinen Zahlenwert.

Leider kommt aber keiner auf die Idee in all den schicken Pressemitteilungen anzumerken, dass vielleicht der Grund hinter allem ist, dass wir uns in den letzten 20-30 Jahren zunehmend diesem verrückten angloamerikanischen Modell der Wildwestmarktwirtschaft unterworfen haben. Und dass, wenn eben nur das Geld zählt, am Ende irgendwer immer unnötig leidet. Und ganz sicher der Planet.

Aber hey. Der Verbraucher wirds richten! Der GRÜNE Verbraucher. Doch, doch. Denn der Verbraucher soll sich plötzlich NICHT nach der freien Marktwirtschaft richten sondern immer und überall trotz nicht vorhandener Transparenz allwissend, weise, sozial und grün entscheiden. So. Und ich warte jetzt auf das nächste folgerichtige Label demnächst auf den Fleischverpackungen.

Das MENSCHWOHLLABEL! Das Tier wurde von glücklichen Arbeitern in gesunden Haltungsbedingugen geschlachtet. Sie bekommen dank deinem freiwilligen Mehrbeitrag von 10 Cent sogar Schutzbekleidung bei ihrer Arbeit. Das Label gibts in bronze, silber und gold. Keiner weiß was die Farben bedeuten, aber es sieht verdammt cool aus!

Guten Appetit,
Euer Captain Futura (gerade etwas polemisch – sorry dafür, es musste kurz raus, er kauft natürlich weiterhin trotzdem möglichst grün ein, der Captain)
.
.
.
*Also natürlich nur bei den großen Schlachthäusern, denn die kleinen Landschlachtereien, die hat man mit absurd überzogenen Hygienevorschriften erstmal kaputt gemacht.