Zu Beginn des Ukraine-Krieges wollte die EU-Kommission plötzlich die ökologisch wichtigen Brachflächen opfern, „um die Welt zu ernähren“, und einige Bauernverbände wollten im Namen der Welternährung – natürlich – noch weiter: „Warum nicht die Brachflächen ganz abschaffen?“

Das kam mir sofort fischig vor. Also hab ich das mal nachgelesen und gerechnet.

Ergebnis: Mein Gefühl stimmte. Die Brachflächen sind für die Welternähung komplett unerheblich, nachgeradezu* lächerlich. In Deutschland machen Brachflächen ganze 1,5 % der Landesfläche aus. Meist handelt es sich um die schlechtmöglichsten, ausgelaugtesten und kaputtesten Böden. Welcher Bauer gibt schon seine besten Böden als Brache her?

Auf diesen Böden soll dann nicht etwa Weizen für Afrika angebaut werden. Nein, da sollen vor allem Futtermittel für die Tierhaltung angebaut werden. Denn siehe schlechte Böden. Was die Durchsichtigkeit des Manövers noch stützt.

Da hat einfach eine Lobby eine Möglichkeit gefunden, die Weltlage zu nuten, um noch ein paar Millionen auf Kosten der Zukunft für sich rauszuschlagen. Zum Glück wurde es in Deutschland größtenteils von Landwirtschaftsminister Özdemir gestoppt.

Aber wenn die Rettung nicht auf den Brachflächen liegt, wo liegt sie denn dann? Nun, es ist ganz einfach, nur will das niemand hören.

Nur lächerliche 11,5 % unser Landesfläche verwenden wir für die effizienteste Form der Nahrungserzeugung, also für die Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln.

Wir verschwenden aber fast 30 % unser Fläche oder 60 % unserer landwirtschaftlichen Flächen für die Tierhaltung und 15 % (bzw. 7,5 % der Gesamtfläche) für Energiepflanzen.

Dabei sind die Gründlandflächen, wenn sie nicht totgegüllt werden, als unproblematisch zu sehen. Gründlandflächen können – zumindest wenn schonend und naturnah bewirtschaftet – ökologisch wertvoll sein und häufig sind die Böden nur unter hohem Aufwand als Ackerflächen geeignet.

Aber auch auf wertvollen Ackerflächen werden auf der Hälfte Futtermittel angebaut und dann zu tierischen Produkten „veredelt“, wie es so unpassend heißt. Denn „veredelt“ wird da nichts. Es werden nur schlicht Nahrungsmittel verschwendet, die deutlich effizienter direkt zur Welternährung beitragen könnten.

Denn während Kühe und Schafe auf Deich und (Dauer-)Grünland tatsächlich für uns nicht essbares Gras „veredeln“ treten sie auf den Ackerflächen im Grunde in direkte Nahrungskonkurrenz zu uns.

Modernste Turbohühner, die unter unwürdigen Bedingungen gehalten werden**, verarbeiten maßgenschneiderte pflanzliche Kalorien im Verhältnis 1:2 in tierische Kalorien – Schweine, Kühe und co. kommen auf deutlich schlechtere Verhältnis von 1:3, 1:7 bis hinauf zu 1:15. Man erhält eine sehr breite Streuung weil je nach Art, Haltung und Ernährung große Unterschiede bestehen.

Insgesamt wird es unmöglich besser als 1:3. Wir könnten also auf derselben Fläche mindestens DREIMAL so viele Menschen ernähren, wenn wir pfanzliche Nahrungsmittel statt Tierfutter anbauen.

Das würde bedeuten: Mit nur 40 % weniger Konsum tierischer Produkte (besonders entscheidend hierbei die Fleischproduktion) könnten wir die Ackerfläche für pflanzliche Nahrung verdoppeln und mindestens 50 % mehr Menschen ernähren.

Das ist übrigens sehr konservativ gerechnet. Wenn man Flächen stärker als Gärten mit Gemüse-Mischkulturen denkt und weniger als Monokulturen ist nach vielen Berechnungen noch ein Vielfaches drin. Nur erfordert das deutlich mehr menschliche Arbeitskraft.

Der Schlüssel zu einer entspannten Ernährungssituation ist also vor allem die Reduktion unseres Fleischkonsums. Und das übrigens nur auf ein Niveau, das bis tief in die 60er völlig normal war.

Und wer jetzt denkt: Ja, aber es ist ja nicht unser Job die Welt zu ernähren?!

Gerade VERHUNGERN wir die Welt. Denn weil wir so riesige Flächen für Tierfutter vorsehen müssen wir 12,5 Millionen Hektar im Ausland für unsere Ernährung nutzen. Das ist ein DRITTEL der deutschen Landesfläche oder 64 % der insgesamt benötigten Flächen für den Inlandsverbrauch von Ernährungsgütern. Nicht wenige dieser Flächen lagen mal im Urwald und produzieren jetzt Soja für die Mast in Deutschland.

Und eine deutliche Reduktion der Massentierhaltung würde parallel noch andere Probleme mitlösen. Weniger Klimagase, weniger Gülletourismus, Überdüngung, Phosphate und Nitrate im Trinkwasser, weniger Tierleid…die Liste lässt sich noch fortführen.

Und übrigens kann man es auch kritisch sehen, dass 7,5 % unser Landesfläche genutzt werden, um zumeist Mais-Monokulturen für Biogasanlagen anzubauen. Das war auch mal anders gedacht. EIGENTLICH war die Idee mit der Biogasproduktion Reststoffe zu veredeln. Und dann kamen CDU und Funktionäre…

Zum Abschluss noch eine wichtige Ergänzung. Viele Studien kommen zum Ergebnis, das wirkliche ökologische Kreislaufwirtschaft Tierhaltung (IN KLEINEM RAHMEN) unbedingt einschließt. Etwas, das zumindest viele Ökolandwirte auch so versuchen. Tierhaltung ist also nicht per se das Problem – das Problem ist wie so häufig die komplette Pervertierung durch den unendlichen Fleischhunger der Welt.

Und: Es geht mir dezidiert nicht um Bauernbashing. Ich habe sehr viel Respekt vor diesem wichtigen und harten Job ABER eine Gesellschaft muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass Bauern ein gutes Auskommen haben UND wir die Ernährung dauerhaft sichern. Und das geht NUR MIT der Natur, nicht gegen sie. Und es geht leider manchmal nur gegen einige Funktionäre, die allzu häufig nur ihre eigenen Interessen und die von Monsanto und co. vertreten und nicht die von Bauern und/oder Natur.

Euer Captain Futura.

P.S. Viele hervorragend recherchierte Hintergründe zu pflanzliche Ernährung vs. tierische auch beim Der Graslutscher Kann ich nur ans Herz legen (Ich bring da ja nur ab und an was)

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* aus der Initiative alte Wörter retten!

** möglichst wenig Bewegung, denn Bewegung verbraucht Energie.

https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2018/01/PD18_027_85.html

https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/fleischkonsum-der-deutschen-schadet-klima-und-umwelt-im-ausland/#:~:text=Pro%20Kopf%20braucht%20es%20j%C3%A4hrlich,f%C3%BCr%20den%20Anbau%20von%20Futtermitteln.

Klicke, um auf recherche_05_kalorien_210225_baur.pdf zuzugreifen

https://www.blitzrechner.de/fleisch/

https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/fleisch-und-futtermittel.html

https://www.dvtiernahrung.de/aktuelles-detail/zu-viel-fuer-futteranbau-in-deutschland-agrarflaechen-und-ihre-nutzung#:~:text=Das%20macht%20einen%20Anteil%20von,Weizen%2C%20Gerste%2C%20Mais%20etc.

https://www.swissveg.ch/land?language=de

https://www.researchgate.net/publication/312576976_Umwandlungsverluste_in_der_Tierproduktion_und_globale_Ernahrungssicherheit

https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Daten-und-Fakten-Landwirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=7

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/heutiges-ackerland-koennte-vier-milliarden-menschen-mehr-ernaehren-a-914457.html

https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/flaechenverbrauch-deutschland-wichtigsten-fakten-542601#:~:text=Die%20Land%2D%20und%20Forstwirtschaft%20erh%C3%A4lt,81%20Prozent%20der%20Fl%C3%A4che%20Deutschlands.

https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/en/33208.html#:~:text=Ein%20F%C3%BCnftel%20des%20deutschen%20Ackerlandes%20dient%20Produktion%20von%20Biogas%20und%20Biosprit,-Mais%20f%C3%BCr%20Biogasanlagen&text=Auf%202%2C65%20Millionen%20Hektar,die%20industrielle%20Nutzung%20angebaut%20wurden.

https://www.dlg.org/de/landwirtschaft/themen/tierhaltung/gefluegel/dlg-merkblatt-406

https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/wirtschaft/2022/03/ukraine-krieg-getreide-landwirtschaft-brandenburg.html