Mal in Sachen Shitstorm und Medien ein schönes Beispiel. Ein Interview mit John McEnroe.

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Garcia-Navarro: We’re talking about male players but there is of course wonderful female players. Let’s talk about Serena Williams. You say she is the best female player in the world in the book. Ein Interview mit John Mc Enroe

McEnroe: Best female player ever — no question.

Garcia-Navarro: Some wouldn’t qualify it, some would say she’s the best player in the world. Why qualify it?

McEnroe: Oh! Uh, she’s not, you mean, the best player in the world, period?

Garcia-Navarro: Yeah, the best tennis player in the world. You know, why say female player?

McEnroe: Well because if she was in, if she played the men’s circuit she’d be like 700 in the world.

Garcia-Navarro: You think so?

McEnroe: Yeah. That doesn’t mean I don’t think Serena is an incredible player. I do, but the reality of what would happen would be I think something that perhaps it’d be a little higher, perhaps it’d be a little lower. And on a given day, Serena could beat some players. I believe because she’s so incredibly strong mentally that she could overcome some situations where players would choke ’cause she’s been in it so many times, so many situations at Wimbledon, The U.S. Open, etc. But if she had to just play the circuit — the men’s circuit — that would be an entirely different story.

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Für dieses Interview hat John McEnroe einen veritablen Shitstorm bekommen. Was ist passiert: Die Interviewerin fängt selber an (auf Basis eines Buchzitats) Tennis in Männer und Frauen zu trennen um dann John McEnroe dafür zu kritisieren, dass er schlicht da weiter macht. Sie fragt dann so lange weiter bis sie eine knallige Headline hat. Diese Headline wird natürlich von the Win genutzt und der Rest des Interviews verschwindet in der medialen Spirale komplett. Was bleibt? „if she played the men’s circuit she’d be like 700 in the world.“ Dieser Satz verbreitet sich weltweit und schließlich setzt Serena Williams wütende Tweets ab. Weil, muss ja. John McEnroe entschuldigt sich ein wenig (aber zum Glück nur halb) und die Sache ebbt ab. Das faszinierende: In dem kompletten Interview finden sich eigentlich nur lobende fast schon bewundernde Worte über Serena Williams. Und der durch die Interviewführung fast schon erzwungene aber sachlich vermutlich korrekte Hinweis, dass Serena Williams im Männertennis lange nicht so weit oben stehen würde. Was ungefähr so ist als würde man sagen, dass ein Mittelgewichtsboxer im Schwergewicht vermutlich nicht Weltmeister wäre – aber in seiner Gewichtsklasse trotzdem der beste Boxer oder die beste Boxerin aller Zeiten. Ich finde das spannend weil es einerseits zeigt wie Medien Diskurse gezielt in die Eskalation bringen und andererseits ein großer Teil der Öffentlichkeit (also von uns) Menschen nur nach ihren Leistungen bewertet. Wäre unser erster Leitsatz im Kopf „Jeder Mensch ist unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe und wasauchimmer gleich viel wert“ könnten wir auch akzeptieren dass Frauentennis einfach eine andere Klasse ist als Männertennis. Es genauso wertschätzen und die mentale und körperliche Leistung der Frauen bewundern. Da aber offensichtlich der Satz in unserem Kopf ist „Ein Mensch der mehr leistet ist auch mehr wert“ bauen wir uns ein Hilfskonstrukt und behaupten einfach dass z.B. Serena Williams auch im Männertennis Nr. 1 wäre. Da es nie wirklich getestet wurde haben wir anscheinend die Situation einer Schrödingerisches Tennisspielerin. Serena Williams ist vielleicht die Nr. 1 im Männertennis vielleicht aber auch die Nr. 700. Ganz tief hinten im Kopf sagt uns aber etwas, dass sie vermutlich deutlich näher bei der 700 als bei der 1 ist. Aber das wollen wir nicht hören weil wir Menschen nach Leistung werten, aber inzwischen endlich und zum Glück gelernt haben, dass Frauen und Männer gleich viel wert sind. Eine der Annahmen kann dann nicht stimmen und unsere kapitalistische Leistungswertlogik ist unbewusst und wir wollen sie nicht hinterfragen. Also überschütten wir lieber John McEnroe mit Häme und Kritik um wieder ein konsistentes Weltbild zu haben. Scheißmacho, alter Knochen, Sexist. Die eigentlichen ungerecht wertenden waren aber wir. Denn das Frauentennis ist selbstverständlich genauso spannend, faszinierend und eine sportliche Ausnahmeleistung wie das Männertennis. Und es käme auch niemand auf die Idee im Boxen die Gewichtsklassen abzuschaffen oder zu sagen: „Er hat ja heute den Weltmeistertitel im Weltergewicht gewonnen aber das ist ja eigentlich nichts wert, denn er würde ja gegen jeden Schwergewichtsboxer verlieren!“ Wer anderer Ansicht ist kann eigentlich konsequenterweise nur dafür plädieren Männer und Frauentennis zusammenzulegen.

Daher man kann es glaube ich nicht oft genug wiederholen: EIN MENSCH IST EIN MENSCH. UND IMMER GLEICH VIEL WERT. Trotzdem gibt es Unterschiede und es ist sinnvoll diese zu sehen statt sie schlicht zu negieren. Denn ansonsten gewinnt am Ende keiner. Auch nicht Serena Williams im Männertennis.